Geschichte von St-Maurice

EIN WENIG GESCHICHTE

Was ist wirklich geschehen? Die Überlieferung berichtet, dass im 3. Jahrhundert alle Soldaten einer römischen Legion ihres Glaubens wegen hingerichtet wurden. Die Männer waren Kopten und stammten aus dem ägyptischen Theben. Sie wurden in Agaunum niedergemetzelt, weil sie sich einem mit ihrem Glauben unvereinbaren Befehl widersetzten. Ihr Hauptmann hieß Mauritius. In Agaunum, dem Ort des Martyriums, dem heutigen St-Maurice, errichtete König Sigismund im Jahre 515 ein Kloster. Mit seiner Einweihung begann, nach dem Vorbild der Akoimeten, die unaufhörliche Anbetung: Unter der Leitung von Alexander lösten sich Tag und Nacht etwa 300 Mönche ab. So kamen sie der Aufforderung von Paulus nach, immer zu beten. Ihr Name bedeutet: Mönche, die nie schlafen. Die Einführung dieser Art von Psalmodie in St-Maurice, die «laus perennis», erforderte eine grosse Anzahl von Mönchen. Gruppen von fünf bis neun Mönchen lösten sich ab, um Tag und Nacht Gottes Lob zu singen. Da diese Mönche von sonstiger Arbeit befreit waren, brauchten sie Ländereien und genügend Arbeitskräfte, die den Unterhalt der Gemeinschaft bestritten. Auch musste die Basilika Tag und Nacht erhellt werden.

Hier ein Auszug aus der Festpredigt des heiligen Avitus von Vienne zur Einweihung der Basilika, zum Beginn der laus perennis : « Während die Tabernakel zwischen den Gottesdiensten manchmal verwaist sind, wer könnte den ruhmreichen Anfang verkennen, der sich hier vollzieht : immer wird der Christus Getreue sein Lob singen, immer wird Christus da sein. Immer wird man fühlen, dass ER zuhört, immer wird man sehen, dass ER erhört. Ihr flieht aus der Welt, das ist wahr; aber ihr betet für die Welt. Möge eure heilige Anbetung für alle zum Gebet werden… Möge dank dieser Gemeinschaft unser Gallien, das wir so lieben, aufblühen und gedeihen! Das Universum möge beneiden, was jetzt an diesem Ort beginnt! Möge heute für dieses fromme Werk die Ewigkeit beginnen und für dieses Land der Ruhm… Heiliger Avitus von Vienne, 515 n. Chr.»

Was in Agaunum entstand, war in Gallien einzigartig. Es war eine Synthese des monastischen Gotteslobs, – abgekehrt von der Welt, gleichsam das irdische Echo des himmlischen Engelsgesangs -, und den öffentlichen Gottesfeiern für die Gläubigen. Diese Mönche lebten nicht in Klausur; die Basilika war offen für alle, die hier beten wollten. Auf eine Art und Weise war es ihnen gelungen, das Gotteslob und das Fürbittgebet der Gläubigen in einem ununterbrochenen Fluss zu vereinen. Der orientalische Einfluss war auch einzigartig. Agaunum wollte zwischen dem Morgen- und dem Abendland eine Brücke schlagen.

Dieses Unternehmen war bemerkenswert. Aus verschiedenen Klöstern wurden erfahrene Mönche gerufen. Sie kamen von Lyon, aus dem Jura, von Romainmôtier, von Grenoble usw. Das führte zu gewissen Spannungen, weil die erfahrensten Brüder ihr Kloster auf Geheiß des Königs verließen.

Die Abtei von Saint-Maurice beeinflusste große Teile Galliens.  Mehrere Klöster führten die laus perennis ein. Unter ihnen sind Saint-Bénigne von Dijon, Saint-Michel von Châlons, Saint-Denys, Luxueil, Saint-Germain-des-Prés von Paris, Rémiremont, Saint-Martin von Tours, Saint-Médard von Soissons usw.

Schon bald wollte man die laus perennis wieder abschaffen. Es entstand schnell eine gewisse Opposition: das von den Akoimeten eingeführte, unaufhörliche Gebet war mit den herkömmlichen Arbeiten eines abendländischen Klosters nicht vereinbar. Und doch wurde diese Psalmodie während mehr als drei Jahrhunderten gepflegt. Das Ende der laus perennis in St-Maurice kann nur schwer festgelegt werden. Ein prägendes Datum scheint das Jahr 824 n.Chr. zu sein, in dem die Mönche durch Chorherren ersetzt wurden, die auch seelsorgerisch tätig waren. Wahrscheinlich waren sie den strengen Anforderungen des unaufhörlichen Gebetes nicht mehr gewachsen und glichen ihre Regel anderen Klöstern an. Im Gegensatz zu anderen, für ihr inständiges Gebet bekannten Klöstern wie Bangor oder Cluny, gibt es die Abtei von St-Maurice auch heute noch. Zwar ist die laus perennis schon lange verstummt; aber die Gemeinschaft der Chorherren psalmodiert, wie früher, mehrmals täglich, das Lob Gottes.  Es ist also eine der ältesten Abteien des europäischen Abendlandes. Seit über 1500 Jahren erhebt sich das Gebet hier jeden Tag!

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